Liebl, Heinrich. – Eigen händiger Brief mit Unterschrift (“Dein kleiner Korporal”).

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An Leo Langhammer. – “Statt meiner ein Gedenkzeichen. Sind wit auch verschiedenen Aufenthalts, nun so soll dies Schreiben wandern. Und ichhoffe es wird gleich meinem Erscheinen empfangen. – Gestern abends war ich im ungarischen Hofe. Auf einmal schrien alle Hurra und Eljen und es bildeten sich debattierende Gruppen. Thema: der große Sieg der Deutschen in Polen. Es hieß, es sollten 240.000 Ruseen gefangen sein, was und zu noptimistischen Aussichten stimmte. Drei Musikaten spielten und eine hübsche Kellnerin machte gute Geschäfte. Sie zeigte sich erkenntlich, setzte sich zu uns, ließ manches geschehen, wollte meine verwilderten Haare ordnen und nahm meine Hand (…) (Das aus der Hand-Lesen) zwang mich zum Überlegen, weil manches meiner Ansicht (nach) stimmte. Das Vergangene ist der Beurteilung am sichersten, das Gegenwärtige ist wohl zu nahe, wird aber auch erkannt. – Die kriegerische Anlage bei mir ists nur einseitig, fast wie bei Dir. Der romantisch-militaristische Standpunkt, der in dir ruht, gefällt mir, reizt mich aber manchmal zum WiderspruchDu sprichts vom Heroismus der Kriege, vom seelischen Aufschwung, vom Prozess in einem, der solches mitm acht – zum Teufeln – wenns an dich herangeht, dann wirst du doch zweifelnd und stellst Gegengründe auf. – Schön ists ja von der Kunst gesehen. – Etwas die Erhebung. Es braucht einen Ruf wie ein Donnerhall – die Feier. Vater, ich rufe dich – das schlichte herrliche Fatum. Morgenrot – die Attacke. Das ist Lützows wilde verwegene Jagd (.) – Zewitgenossen, Zeitgenossen, macht es nur ein wenigso schön und mir wird leichter. In einem gebe ich dir Recht; Daß das Erleben der höchste Wert ist. Wie vieles wird besser, wenn man von Zeitungen, Feldpostbriefen verschont bleibt, wenn man frei wird von der täglichen Eitelkeit, die sich zu Markte stellt. Falscher Ehrgeiz, Schlesucht(!) und Neid verfallen. Und wenn ich auch die Impressionen nicht mehr so feurig mitteilen kann wie einstens, so hindert mich die Erfülltheit vom Ganzen daran. Was ich jetzt erfasse, das wäre früher ungeheurer Stoff, bei meiner Vorliebe für Details, gewesen. – ‘Ich erwachte und die schönste Morgenstunde stand über den schneeglitzernden Dächern’. – Nein, kurz, kerr gesagt: Hunger und Freude am Morgen. Einstellung zu allem was des Magens (sic)isst. Und doch: hinhören zu den Wildgänsen, die hoch am grauen Himmel ziehen. Bewegtheit, wenn wir den Gefangenen rot geben und sie teilen brüderlich. Knurrig, wenn zu lange geübt wird. Interessiert, wenn es praktischer zugeht. Schützenmulde graben, Gefechtsüb ungen in der Nacht (bis 10h)(.) Feldwachen und Patrouillendienst bei verfluchter Kälte oder bei hingezauberten Sonnenuntergängen, die hierherrlich sind. Regt sich oft ein trunkenes Lied und wird nur ein armes Wort und plötzlich wieder die Aufforderung zur Schwarmlinie und Menschenjagd. Der romantisch-militaristische Standpunkt ist die Fahne. – Vertraut man dieser, lebt man unter einem anderen Stern. Und es bahnt sich so etwas an, was Wille zur Macht, Jenseits von Gut und Böse heißt. Ein Zauberer – Zarathustra – lockt blühende Geister (…)”.

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Beschreibung

Bruck an der Leitha, Landwehrkaserne, 19.XII, 1914.

4 Seiten auf Doppelblatt. Mit eigen händig adressierten Kuvert.

350,00 EUR